PFANDSYSTEME: SYSTEM IM FOKUS

Das norwegische Pfandsystem ist weltweit ein Vorbild für Recycling

Das norwegische Pfandsystem gilt als weltweites Vorbild für die Rückgewinnung und das Recycling von Getränkeverpackungen und ist eines der effizientesten der Welt. Mit einer ausgefeilten, bequemen Rückgabeinfrastruktur und einem wettbewerbsfähigen Pfandwert, der Verbrauchern einen wirklichen Anreiz bietet, ihre leeren Verpackungen zurückzugeben, trägt das norwegische Pfandsystem dazu bei, die Verpackungen im Kreislauf zu halten und nachhaltige Gewohnheiten bei den Verbrauchern zu fördern. 

Bild vom Aufheben von Verpackungen mit Hund

Überblick Pfandsystem:

  • Landesbevölkerung: 5,425 Mio.
  • Leergutpfand: 2 NOK (ca. 0,20 €) für Verpackungen ab 0,5 Liter und 3 NOK (ca. 0,30 €) für Verpackungen ab 0,5 Liter 
  • Geeignete Verpackungen: Kunststoff (überwiegend PET, HDPE) und Metall (Aluminium/Weißblech), für alle Getränkearten
  • Leergutrückgabequoten: 92,3% in 2021 (91,5 % der Dosen und 92,8 % der Kunststoffflaschen)

     

 

Gestaltung der Leergutrücknahme


Norwegen war eines der ersten Länder der Welt, das ein Pfandsystem für Mehrwegflaschen einführte. Bereits 1902 wurde ein System für Mehrweg-Glasverpackungen eingeführt, und Anfang der 1970er Jahre kamen automatisierte Rücknahmen von Mehrweg-Glasflaschen über sogenannte Leergutrücknahme-Automaten ins Spiel.

Das norwegische Pfandsystem für Einweg-Getränkeverpackungen ist einzigartig, da es freiwillig vom Getränke- und Lebensmitteleinzelhandel entwickelt wurde. Das System für nicht nachfüllbare oder Einweg-Verpackungen – einschließlich Dosen und PET – wurde 1999 eingeführt, angetrieben von einem für Norwegen einzigartigen Element: eine von der norwegischen Regierung auferlegte Umweltsteuer. 

Bis heute gibt es für Getränkehersteller eine Grundsteuer auf alle Einweg-Verpackungen sowie eine variable Umweltsteuer, die bei steigenden Rückgabequoten sinkt. Verpackungen mit einer Rückgabequote von 95 % oder mehr sind von der Umweltsteuer befreit, was für die Hersteller einen überzeugenden Anreiz schafft, sich an dem Pfandsystem zu beteiligen und die höchstmögliche Rückgabquote zu erreichen. 

Die Landschaft des Pfandsystems im heutigen Norwegen

Infinitum Gebäude


Das Pfandsystem gehört in Norwegen für die 5,425 Millionen Einwohner zum Alltag. Den neuesten Zahlen zufolge wurden im Jahr 2021 auf dem norwegischen Markt 1,692 Milliarden Dosen und PET-Flaschen verkauft, was einem durchschnittlichen Verbrauch von 312 Verpackungen pro Person und Jahr entspricht. 

In ganz Norwegen wird das Pfandsystem von Infinitum, dem zentralen Systembeauftragten, verwaltet und betrieben. Obwohl Infinitum in Privatbesitz ist, handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation, die im Auftrag von Einzelhändlern und Produzenten arbeitet. 

Und obwohl das norwegische Pfandsystem von Infinitum betrieben wird, liegt es in der Verantwortung der Getränkehersteller des Landes – sie zahlen 100 % der Nettokosten für das System. Allerdings reichen nicht eingelöster Pfand, Einnahmen aus dem Verkauf von Verpackungsmaterialien und andere Einnahmen (hauptsächlich aus Zinsen) aus, um den größten Teil der Kosten zu decken. 2021 wurden beispielsweise fast 95 % der Ausgaben durch diese Ströme gedeckt und nur 5,4 % über eine EPR-Gebühr (im Zuge der erweiterten Herstellerverantwortung) bezahlt.

Diagramm, das Gewinn und Verlust des norwegischen Pfandsystems zeigt

Durch diese vier Einnahmequellen reinvestieren die Getränkehersteller die Einnahmen wieder in die Infrastruktur des norwegischen Pfandsystems. 

Die EPR-Gebühren für jeden Hersteller basieren auf den Recyclingkosten und dem Materialwert der Materialart der einzelnen Verpackungen, die die Hersteller auf dem Markt haben, wobei die Gebühren sogar zwischen klarem und farbigem PET-Material unterscheiden (siehe Tabelle). Für Aluminiumdosen fallen beispielsweise für Hersteller in Norwegen keine zusätzlichen EPR-Kosten an. Das liegt daran, dass der inhärente Rohstoffwert von Aluminium sowie die Einnahmen aus nicht eingelöstem Pfand höher sind, als die Kosten für die Gewinnung und Verarbeitung.

Tabelle der EPR-Gebührenstruktur für das norwegische Pfandsystem

Das norwegische Pfandsystem ist so gestaltet, dass sein Betrieb und seine Verwaltung durch Vorschriften und nicht durch Gesetze geregelt werden. Dies bedeutet, dass Änderungen zur Verbesserung und Aktualisierung des Pfandsystems schneller und reibungsloser durchgeführt werden können.

 

Wichtige Erfolgsfaktoren der Leergutrücknahme in Norwegen: bequemes Recycling und Anreize für die Verbraucher


Infinitum betreibt sein Pfandsystem über ein „Return-to-Retail“-Modell (das bedeutet, dass Einzelhändler, die Getränke verkaufen, auch die leeren Verpackungen zum Recycling zurücknehmen müssen), mit sowohl manuellen als auch automatischen Rückgabestellen.

In ganz Norwegen gibt es etwa 3.900 Leergutrücknahme-Automaten an 3.500 Sammelstellen für die automatische Rückgabe leerer Verpackungen und etwa 11.500 manuell betriebene Rückgabestellen, was zusammen einer Rücknahmestelle pro 362 Personen entspricht. Darüber hinaus gibt es 35 Logistikzentren und fünf Verarbeitungsanlagen.

Das norwegische Pfandsystem akzeptiert Dosen (sowohl Aluminium als auch Stahl) und zwei Arten von Plastikflaschen (PET und HDPE), und alle Geschäfte müssen alle im Pfandsystem enthaltenen geeigneten Verpackungen akzeptieren. Alle Verpackungen müssen über eine von Infinitum genehmigte Kennzeichnung verfügen und gemäß der Materialverpackungsspezifikation hergestellt werden. Dies ist für den gesamten Recyclingprozess von entscheidender Bedeutung, da so die genauen verwendeten Materialien ermittelt werden können und Infinitum bestätigen kann, dass alle Materialien recycelbar sind. Dadurch wird sichergestellt, dass die recycelten Materialien von höchstmöglicher Qualität und Reinheit sind und immer wieder verwendet werden können. 

Leergutrücknahme-Automaten in Norwegen können auch einige im Ausland gekaufte Getränkeverpackungen akzeptieren, wenn ein Einzelhändler diese Option anbietet. Für diese Verpackungen wird jedoch kein Pfand ausgezahlt. Infinitum fördert den Einsatz von verdichtenden Leergutrücknahme-Automaten, was bedeutet, dass Automaten die Verpackungen nach der Identifizierung und vor der Lagerung zerkleinern, da sie Kosteneinsparungen im Hinblick auf Betrugsbekämpfung und Transporteffizienz bieten. Einzelhandelsstandorte mit verdichtenden Leergutrücknahme-Automaten erhalten eine höhere Handling-Gebühr als solche, die manuell oder ohne Verdichtung einlösen (siehe unten).

Tabelle der Handling-Gebühren des norwegischen Pfandsystems

Um 2018 hatte die Inflation die Pfandwerte untergraben und die Rückgabequoten waren gesunken, sodass das System angepasst wurde, um die Verbraucher zur Teilnahme zu bewegen und die Rückgabequoten wieder anzukurbeln. Die Pfandwerte wurden erhöht. Für Verpackungen mit einer Größe von 0,5 Litern oder weniger erhöhte sich das Pfand von 1 NOK auf 2 NOK (ca. 0,20 €), während es für Verpackungen über 0,5 Liter der Pfandwert von 2,50 NOK auf 3 NOK (ca. 0,30 €) angehoben wurde. Dies waren die ersten Änderungen des Pfandwerts in Norwegen seit der Einführung eines Pfandsystems für Einwegverpackungen im Jahr 1999, und die Erhöhung hatte den gewünschten Effekt: Die Rückgabequote stieg zwischen Ende 2017 und Ende 2021 um 7,2 % für Dosen und 5 % für PET.  Im Allgemeinen gilt das norwegische Pfand als ein überzeugender Anreiz für Verbraucher, ihre Verpackungen zurückzugeben. 

 

Das Ergebniss: hohe Rückgabequoten und Reduzierung von Verpackungsmüll.

Der Erfolg des Pfandsystems in Norwegen spricht für sich. Laut Infinitums Jahresbericht 2021 wurden im Jahr 2021 mehr als 1,55 Milliarden Getränkeverpackungen zum Recycling zurückgegeben.

Aufgeschlüsselt wurden mehr als 941 Millionen Dosen an Leergutrücknahme-Automaten zurückgegeben, was 91,5 % aller verkauften Dosen entspricht, und fast 13.000 Tonnen Aluminium recycelt. Mit einer Rückgabequote von 92,8 % wurden über 611 Millionen Kunststoffflaschen über das Pfandsystem zurückgegeben und mehr als 23.000 Tonnen Kunststoff mechanisch recycelt.  

2021 erreichte Norwegen über das Pfandsystem eine Gesamtrückgabequote von 92,3 % (sowohl bei Dosen als auch bei Kunststoffflaschen). Es wird davon ausgegangen, dass Norwegen dank der Steigerung des Pfandwerts in den kommenden Jahren eine Sammelquote von 93 % erreichen kann. Obwohl Norwegen nicht Teil der Europäischen Union (EU) ist, folgt es den Empfehlungen der EU und den Zielen der Einwegkunststoff-Richtlinie für die Mitgliedstaaten, bis 2029 90 % der Kunststoffflaschen getrennt zu sammeln, und erfüllt diese unverbindlichen Ziele bereits.

Von den zurückgegebenen Verpackungen entfallen rund 94 % auf Leergutrücknahme-Automaten im Geschäft, wobei 6 % an manuellen Rückgabestellen oder in der Gastronomie gesammelt werden. Aus Umweltsicht werden weniger als 1 % der Getränkeverpackungen in Norwegen weggeworfen, und nur jede achte Flasche, die an der norwegischen Küste angespült wird, stammt tatsächlich aus Norwegen. Der Rest kommt aus den Nachbarländern. 

 

Was Norweger über das Pfandsystem denken

Seit dem Start von Infinitum hat der zentrale Systembeauftragte zweimal im Jahr einen webbasierten Kategorie-Tracker mit mehr als 6.000 Befragten über 18 Jahren durchgeführt. Mehr als 92 % geben an, dass es ihnen sehr wichtig ist, jede Dose und Flasche zurückgeben zu können. Sie glauben, dass dies gut für die Umwelt ist, und sie vertrauen dem System. Sie wissen, dass sie ihr Pfandgeld zurückerhalten und dass alle Dosen und Flaschen zu neuen Dosen und Flaschen recycelt werden. 

Wenn eine neue Getränkeflasche oder -dose ohne Pfand auf den Markt kommt, erhält Infinitum direkt Reaktionen an sein Team und über soziale Medien. Norweger möchten ihre Verpackungen einfach über das Pfandsystem zurückgeben können.

TOMRAs Rolle im norwegischen Pfandsystem


TOMRA hat im Laufe seiner 50-jährigen Geschichte mit der Bereitstellung von Technologie, Dienstleistungen und der Steigerung der Effizienz eine wichtige Rolle im norwegischen Pfandsystem gespielt. 1972 entwickelten die norwegischen Brüder Petter und Tore Planke eine Lösung für ein Problem, mit dem Einzelhändler konfrontiert waren: Sie schufen eine effiziente und schnelle Möglichkeit für Kunden, leere Mehrwegflaschen im Rahmen des bestehenden Pfandprogramms für Mehrwegglas des Landes in den Geschäften zurückzugeben. 

Es wurden mehr Flaschen in mehr Sorten als je zuvor an die Ladenbesitzer zurückgegeben, was bedeutete, dass die Verpackungen große Effizienzprobleme verursachten, da die manuelle Annahme und Sortierung ein zeitaufwändiger Prozess war, der das Personal von anderen wichtigen Aufgaben abhielt. Was benötigt wurde, war ein automatisiertes System, bei dem Verbraucher ihre leeren Flaschen zurückgeben und ihr Pfand zurückerhalten konnten. Daher entwickelten die Brüder auf der Grundlage dieser Herausforderung den ersten Prototyp eines automatisierten Leergutrücknahme-Automaten. Die Brüder Planke haben TOMRA Ende 1972 gegründet, und TOMRA bietet bis heute in vielen norwegischen Geschäften Leergutrücknahmen an. 


Insgesamt war das norwegische Pfandsystem von seinen Anfängen im frühen 20. Jahrhundert bis heute wegweisend für eine heute wachsende weltweite Praxis im Kampf gegen den Plastikmüll. Man kann sagen, dass seine Wirksamkeit auf seinem einzigartigen Aufbau beruht, bei dem die Besteuerung die Beteiligung von Einzelhändlern und ihren Einsatz anschürt, was wiederum förderlich für hohe Rückgabequoten ist. Durch die hohe Dichte an Sammelstellen und den hohen Grad an Automatisierung ist es sowohl bequem als auch effizient, und zwar in einem Return-to-Retail-Modell, bei dem alle Geschäfte alle Verpackungen annehmen. Sein zentralisierter, gemeinnütziger Betrieb steigert die Effizienz und fördert die Transparenz, wobei „Regulierung statt Gesetzgebung“ zu einem reaktionsfähigen Modell führt. Diese Faktoren haben zusammen dazu geführt, dass das norwegische Pfandsystem zu einem Vorbild für das Recycling geworden ist. Tatsächlich besuchen Gesetzgeber und Interessenvertreter aus der ganzen Welt regelmäßig Norwegen, um sich das vorbildliche Pfandsystem in der Praxis anzusehen. 

Bildnachweis: Die ersten beiden Bilder wurden von Infinitum zur Verfügung gestellt